2025-02-12
IDOPRESS
Fast 30 Prozent der im Ausland investierenden Unternehmen aus Baden-Württemberg richten den Fokus verstärkt auf ihre globalen Aktivitäten: Sie planen,im laufenden Jahr Investitionen im Inland zugunsten von Projekten im Ausland zurückzustellen. Das ist ein Ergebnis der IHK-Konjunkturumfrage für Baden-Württemberg,an der zu Jahresbeginn landesweit 3.679 Unternehmen aller Größen und Branchen teilgenommen haben.
„Der Glaube an die Widerstandsfähigkeit des Standorts gegen alle Bürokratie-,Kosten- und sonstigen Belastungen dürfte sich spätestens mit dieser Konjunkturprognose endgültig verflüchtigt haben. Wir brauchen jetzt eine schnelle und umfassende Wirtschaftsagenda,die Innovationen und Investitionen,Standortkosten,Widerstandsfähigkeit und den Bürokratieabbau umfasst“,fordert Claus Paal,Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) und Präsident der IHK Region Stuttgart. Zunehmend zögen Betriebe Investitionsstandorte auch in anderen EU-Ländern vor. „Dort gelten zwar viele ähnliche bürokratische Regelungen und Berichtspflichten,sie sind aber bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei uns.“ Deutschland und Baden-Württemberg benötigten dringend neue Strategien,um im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren und den Industriestandort wettbewerbsfähig zu halten. „Eine künftige Bundesregierung muss aber auch gegenüber den überbordenden Regulierungen aus Brüssel klare Kante zeigen. Unsere Konjunkturumfrage zeigt mehr als deutlich,dass wir keine Zeit mehr verlieren dürfen.“
Wirtschaftliche Erholung lässt auf sich warten
Auch zum Jahresbeginn lässt die wirtschaftliche Erholung in Baden-Württemberg auf sich warten. Laut Konjunkturumfrage bewerten 29 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als gut,das sind zwar rund drei Prozentpunkte mehr als in der Herbstumfrage. Aber mit 23 Prozent bewerten immer noch fast so viele Unternehmen ihre Lage als schlecht wie schon im Herbst (24 Prozent).
Auch der Blick in die Zukunft bleibt düster. 29 Prozent der Unternehmen erwarten schlechtere Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten,nur zwei Prozentpunkte weniger als im
Herbst. Auf bessere Geschäfte hoffen 16 Prozent der Befragten und damit ebenso viele wie in der letzten Umfrage. „Die zahlreichen Krisen der vergangenen Jahre hinterlassen ihre Spuren und haben zudem viele strukturelle Probleme offengelegt,mit denen wir noch lange beschäftigt sein werden“,sagt Paal. Die hohen Energiekosten,aber auch hausgemachte und vorhersehbare Probleme wie übermäßige Bürokratie und Fachkräftemangel würden das Wachstumspotenzial des Landes bremsen. „Besonders Baden-Württemberg mit seinem industriellen Schwerpunkt ist von diesen vielfältigen Herausforderungen stark betroffen.“
Schwache Inlandsnachfrage bleibt Toprisiko
Bei der Frage nach den größten Geschäftsrisiken bleibt die schwächelnde Inlandsnachfrage auf Platz eins. Rund 65 Prozent der Betriebe sehen hier ein Problem für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Das Risiko hoher Arbeitskosten nimmt von Umfrage zu Umfrage zu und landet mit 57 Prozent auf dem zweiten Platz. Vor allem der Fachkräftemangel und die Inflation üben Druck auf Löhne und Gehälter aus. Auch das Risiko hoher Energiekosten wird wieder häufiger genannt – besonders von Unternehmen der Industrie,der Bauwirtschaft und des Gastgewerbes. Sie landen mit rund 48 Prozent auf dem dritten Platz,gefolgt vom Fachkräftemangel (46 Prozent),der angesichts der Wirtschaftsflaute und der schwachen Nachfrage leicht an Bedeutung verliert.
Risiko der politischen Rahmenbedingungen nimmt weiter zu
Eines der Top-Ärgernisse bleiben die politischen Rahmenbedingungen – mit 44 Prozent der Nennungen haben sie im Vergleich zum Herbst bei den Geschäftsrisiken nochmals um zwei Prozentpunkte zugelegt. Gemeint ist hier die monatelange Uneinigkeit in der Regierung vor allem über die Wirtschaftspolitik. Auch zu viel Bürokratie und wegfallende Förderungen werden in den Freitextantworten häufig genannt. „Viele Investitionen werden nicht wegen fehlender Förderprogramme zurückgehalten,sondern wegen Unsicherheit und fehlendem Vertrauen“,so Paal. „Die neue Regierung hat hier eine klare Aufgabe. Sie muss dafür sorgen,dass die Betriebe wieder an den Standort glauben und verlässlich planen können.“ Derzeit plant jedes dritte Unternehmen,die Inlandsinvestitionen zurückzufahren,während nur etwa 22 Prozent höhere Investitionen vorsehen.
Die schwächelnde Konjunktur macht sich allmählich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Nur zwölf Prozent der Unternehmen erwarten eine steigende Beschäftigtenzahl,während etwa 27 Prozent von einem Rückgang ausgehen.
Industriebetriebe besonders betroffen
Deutliche Spuren hinterlassen die vielfältigen Herausforderungen vor allem in der Industrie. Nur 20 Prozent der Industriebetriebe bewerten ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als gut,rund 32 Prozent sagen,sie sei schlecht. Ebenso gehen 31 Prozent von einer Verschlechterung ihrer Geschäftserwartungen in den kommenden zwölf Monaten aus. Ein Grund für die gedämpfte Stimmung sind die leeren Auftragsbücher im Inland. 38 Prozent der Industriebetriebe melden zurückgehende Auftragseingänge. Der Inlandsabsatz bleibt damit mit 76 Prozent das größte Risiko der Branche.
Und auch der Export,jahrelang das Zugpferd der baden-württembergischen Wirtschaft,schwächelt. Zunehmender Protektionismus und hohe Standortkosten schwächen die Wettbewerbsfähigkeit und machen wenig Hoffnung auf einen exportbedingten Aufschwung. 30 Prozent der Industriebetriebe gehen demnach von einem Rückgang der Exporte in den kommenden zwölf Monaten aus. Ein kleiner Lichtblick bleibt dabei der Handel mit Nordamerika. Für Süd- und Mittelamerika lassen die Fortschritte beim Mercosur-Abkommen die Betriebe hoffen.
Informationen zur Umfrage:
An der ersten Konjunkturumfrage 2025 haben vom 2. bis zum 21. Januar 3.679 Unternehmen aller Größen und Branchen aus Baden-Württemberg teilgenommen.
PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag